mehringplatzen!
Eine performative Raumaneignung
Zehn Jahre lang haben die Bewohner:innen des Mehringplatzes in einer chaotischen Baustelle gelebt, ohne Zugang zum zentralen Platz der Begegnung. Nun ist der Bauzaun weg: Was machen sie als Erstes?
Wir entwerfen zusammen mit Anwohner:innen eine Reihe von Aktionen zur Rückeroberung des Platzes. Über den Zeitraum von sechs Wochen haben sie mit ihrem mobilen Projektraum und einer Näh-Station vor Ort zusammen mit Initiativen und Anwohner:innen agiert. Was braucht es, um gemeinsam den einst verlorenen, öffentlichen Raum nach Jahren der Langzeitbaustelle wieder zu gewinnen?
Zunächst besetzten wir eines der Luftgeschosse (die freie Erdgeschossebene unter der ringförmigen Wohnbebauung) mit unserem BASTIAN und suchten über einen Zeitraum von mehreren Wochen vor Ort das Gespräch mit den Anwohner:innen. Die gesammelten Ideen über mögliche Aktivitäten auf dem Platz wurden zur Eröffnungsfeier des Platzes in Form von Aufforderungen der Raumaneignung in Glückskeksen an die Anwohner:innen verteilt.
Leider wurde der Platz – zum Entsetzen der Nachbarschaft – nach der langersehnten Eröffnung direkt wieder mit Bauzaun umzäunt, da der Rasen noch wachsen müsse.
Um diesen fehlgeschlagenen Planung gemeinsam mit den Nachbar:innen etwas entgegenzusetzen bestellten wir rund 200qm Rollrasen und 7 Tonnen Erde, um im eroberten Luftgeschoss eine eigene temporäre Grünfläche als Treffpunkt für die Nachbarschaft aufzubauen. Für die Unterstützung bei der technischen Umsetzung konnten wir den ehemaligen inzwischen pensionierte Platzgärtner Henry Fust gewinnen, der die gemeinsame Aktion mit seinem Expertenwissen und seinen Platzgeschichten der letzten Jahrzehnte begleitete.
Durch unsere aktive Teilnahme am nachbarschaftlich-organisierten Nähkurs in der Kiezstube entstand die Idee gemeinsam Picknickdecken für die Wiese zu nähen. Der lokale Wochenmarkt schien uns der geeignete Ort, um mit unserem Werkstattwagen KLAPPI mit weiteren Menschen ins Gespräch zu kommen, deren Stoffspenden anzunehmen und sie zum gemeinsamen Nähen einzuladen.
Was noch für ein perfektes Picknick fehlte war das Essen: wir kannten nach wochenlanger Arbeit vor Ort inzwischen auch alle lokalen Gastronomieangebote des Platzes und luden diese ein, einen Beitrag zum Nachbarschaftpicknick zu leisten: Falafel von Al Sultan, Empanadas von Café Madame, Börek vom lokalen Bäcker und Cimbollas von der Pizzeria Al Catzone bildeten das vielfältige Picknick-Menu für die Kiezparty.
Eine Performance von Alicia Agustín erzählte – basierend auf den ausführlichen Gesprächen und unseren ortsspezifischen Recherchen – von der zehnjährigen Geschichte rund um die gescheiterte Baustelle am Mehringplatz.
Nach dem Berlin Bleibt! Festival haben wir die Rasenfläche gemeinsam mit verschiedenen Leuten aus der Nachbarschaft wieder abgebaut und dauerhaft auf eine Baumscheibe und in die Kita gepflanzt.
Team
- Polly Bruchlos
- Anja Fritz
- Silvia Gioberti
- Nike Kraft
- Shahrzad Rahmani
- Charlotte Rosengarth
- Benedikt Stoll
in Zusammenarbeit mit
- Künstlerische Begleitung: Nadine Vollmer, Stella Konstantinou mit Unterstützung von Jann Petersen/HAU to connect
- Performance: Alicia Agustín
- Video Dokumentation: offscreen media
- Kollaborateur:innen aus der Nachbarschaft: Al Catzone, Al Sultan Bistro, Café und Bäckerei am Mehringplatz, Café MaDaMe (Karin Lücke, Juan Carlos Polar Zevallos, Manoel Portela Leonico), Ferdinand Föckig, Henry Fust, Moritz Graf, Ina Ravens, Najwa Koussa, Manja Präkels
ein Auftrag von
- HAU – Hebbel am Ufer
- im Rahmen von Berlin bleibt #4
- 17.06. - 02.07.2022